Bildquelle: Instagram/cigarettesandcale
Irgendwann fing ich an zu HÖREN. Hören, dass da draußen ganz schön viel Lärm und Krach ist. Hörte aus dem Fenster. So viel los da draußen. Hab‘ ICH die eingeladen? Jedenfalls hab ich wohl das Klopfen an der Eingangstür absichtlich überhört und Tische, Schränke und Stühle davor gestellt um die Tür zu blockieren. Logisch, dass sich da irgendwann ganz schön viel Müll im Zimmer ansammelt, weil man den ja nur nach draußen bringen kann wenn man die Tür öffnet. Aber dann wären ja die ganzen ungebetenen Gäste reingekommen. Irgendwann bin ich also im Müll versunken. Puh, hat das gestunken. War mir gar nicht so bewusst, bis ich dann mal gelüftet hab. Zum ersten mal nach Jahren. So ähnlich, wie wenn man in ein Klassenzimmer reinkommt, wo eine Horde von Schülern gerade kopfrauchend über einer Prüfung saß. So ne Luft war da auch in meinem Zimmer. Also hab‘ ich diese Fremden vor meiner Tür reingelassen, will ja auch kein schlechter Gastgeber sein. Habe sie also geduldet, ihnen gnädig erlaubt, da zu sein, auch wenn ich auch gut auf ihre Anwesenheit hätte verzichten können. Nach stundenlangem Anschweigen hab‘ ich halt doch mal den Schritt gewagt und die ersten zaghaften Worte losgelassen. Small Talk geführt. Wie man das halt so macht. Musste feststellen, dass die eigentlich alle ganz ok waren. Richtig nett teilweise, nur eben erst ab dem Moment, an dem ich begann mich interessiert zu zeigen.
Irgendwann fing ich an zu SEHEN. Sehen, wer da eigentlich alles da ist. Wie sie miteinander interagieren, wie sie mit mir interagieren, wie ich mit ihnen interagiere. Ja so langsam wurde es richtig gesellig. Und aus Akzeptanz wurde Genuss. Ich genoss ihre Anwesenheit. Wie wir uns gegenseitig austauschten, uns verstanden fühlten, erkannten, dass wir ja so viel gemeinsam haben. Doch ich fragte mich immer noch, wer sie eingeladen hatte und was das mit mir zu tun hatte.
Irgendwann fing ich an zu VERSTEHEN. Verstehen, wieso sie hier sind. Dass ich irgendwas von ihnen lernen sollte. Und sie wahrscheinlich auch von mir. Dass diese Begegnungen quasi überlebenswichtig sind. Damit ich lerne mit dem Leben umzugehen. Damit ich mich selbst VERSTEHE. Sonst würde ich wohl den Sinn des irdischen Lebens verfehlen. Ich fing an mich in dieses ständige Verstehen zu verlieben. Es gibt ja so unendlich viel zu verstehen. Es blieb nicht lange bei einem Verständnis. Verstand mal dieses, mal jenes, manchmal auch mehreres gleichzeitig. Dauernd ging ich fremd, war fasziniert von jedem Verstehens-Vorgang. Bin wohl polygam. Und wie das so ist, bei Verliebten, möchten sie jedem mitteilen, wie verliebt sie sind und auch wie toll der andere ist. Und wehe jemand sagt was gegen diese Verliebtheit, oder schlimmer noch, beachtet sie nicht. Was fällt denen ein? Meine Verliebtheit nicht zu beachten! Und vor allem meinen Liebhaber, das Verstandene, die Erkenntnis, nicht mindestens genau so toll zu finden wie ich!
Irgendwann fing ich an zu FÜHLEN. Fühlen, dass diese ganzen Gäste Teil von mir sind. Und nicht nur einfach irgendwelche dahergekommenen, die halt mal bei jemandem geklingelt haben, weil ihnen langweilig war. Nein, sie wurden tatsächlich gesandt. Nicht von irgendjemandem, auch nicht von Gott, sondern von mir. Weil ich Bock hatte auf Gesellschaft. Nein, weil ich unvollkommen war/bin. Weil genau diese Dinge in mir fehlten/fehlen. Ist doch manchmal wie bei diesen Tausend-Teile Puzzles von irgendwelchen Landschaftsbildern. Schloss Neuschwanstein oder so. Man sucht stundenlang nach diesem einen Teil von diesem blauen Himmel – und jedes scheint zu passen, alle gucken so verdammt ähnlich aus, alle sind sie Himmelblau. Man wird fast verrückt im Prozess des Nicht-Findens. Versucht sogar, das ein oder andere unpassende Puzzleteil passend zu machen, es da irgendwie reinzuquetschen. Aber das ist ja eigentlich auch Unsinn. Weil das ja wo anders hingehört und dann an diesem Ort kein Teil mehr ist. Und dann, man hat aufgegeben, abgegeben, liegt es einfach da, zwischen all den tausend Teilen, und man weiß einfach, dass DAS das richtige ist. Und so fügt sich eins zum anderen. Vervollständigt sich das Bild. Ist ständig voll. Aber doch leer irgendwie. Weil eindimensional.
Wie wird es tief? Indem ich höre, sehe, verstehe, fühle. Und all das gleichzeitig. Ist erstmal nicht so einfach. Muss gelernt werden. Ist doch klar. Oder hast du dich schon mal an ein Schlagzeug gesetzt und vom ersten Drum an den krassesten multidimensionalen Rhythmus hingelegt?
Angeboren ist nur das Werkzeug dafür, aber damit umzugehen bedarf Übung.
So lernte ich zu hören. Und was man mit diesem Hören alles machen kann! Zuhören, weghören, anhören, verhören, mithören. Und jedes Hören für sich bedarf eines eigenen Lehrgangs. (Wer das jetzt weiterspinnt, mit sehen und fühlen, der merkt, dass verstehen eigentlich schon ein Teilbereich von etwas ist. Von STEHEN. Müssen wir wohl erstmal stehen lernen, um überhaupt verstehen zu können).
All das Gleichzeitig heißt dann wohl erkennen. Also, ob du wirklich fürs Erkennen qualifiziert bist, kannst du ganz einfach testen: Indem du versuchst, nur zu hören. Nicht zu sehen, nicht zu stehen, nicht zu fühlen. Schalte alles aus und höre. Höre nach außen und auch nach innen. Höre nach links und auch nach rechts. Und auch mal querfeldein. Und dann mach das gleiche mit dem Sehen. Und mit dem Stehen. Und mit dem Fühlen.
Trau dich, Babyschritte zu gehen. Trau dich, eindimensional zu sein. Nur so kann sich dein volles Potential entfalten. Oder trau dich einfach deswegen, weil das für dich vielleicht viel geiler ist. Viel mehr Spaß macht. Don’t care. Be there.