Manchmal ist stehen bleiben schwieriger als weitergehen. Doch findet ENTwicklung nur durch Fortbewegung statt? Oder gar durch ENTschleunigung? Vielleicht beginnen diese Zwei Begriffe nicht nur zufällig mit der gleichen Silbe. Über die Fähigkeit und Wichtigkeit stehen bleiben zu können.
Gestern kam nix. Weil ich um 5 Uhr früh von Düsseldorf nach Hause kam und um 8 auf der Arbeit sein musste. Um 17:30 wieder zu Hause war, was gekocht hab‘, meinen Laptop aufgeschlagen habe, ein Video angeguckt habe und noch vor der 2. Minute eingeschlafen bin. Um 1 Uhr Nachts bin ich erst wieder aufgewacht.
Bedeutet Teamwork gleichschnell zu arbeiten?
Ach Ausreden sind was herrliches. Was wäre die Welt nur ohne Ausreden? Würde sie besser funktionieren? Ich weiß es nicht. Jedenfalls, ich hätte ja – da ich von meinem stressigen, an Schlaf mangelndem Tag schon im Voraus wusste, bereits Vorarbeit leisten können und auf der 7-stündigen Busfahrt von Düsseldorf nach Leipzig einen Text schreiben können. Hab ich auch. Zwei sogar. Jedoch zwei halbfertige. Und keiner der Texte war bereits so weit um von mir fertig geschrieben werden zu können. Beide der Textideen waren zwar meines Erachtens grandios und zumindest in meinem Kopf schon zu wahren wortakrobatischen Meisterleistungen gereift – doch meine Finger, die dieses Spektakel in die Tastatur hämmern sollten, bekamen noch zu wenig klare Anweisungen. Kein gutes Teamwork würde ich mal sagen. Moment. Bedeutet Teamwork, dass jeder im gleichen Tempo arbeiten muss? Bedeutet Teamwork, dass der andere sofort die Anweisungen des anderen ausführen muss? Was bedeutet Teamwork eigentlich? Das mit der Zeit ist so eine Sache. Unsere (zumindest die westliche) Welt ist geplagt von schier ununterbrochenem Zeitdruck. Alles muss am besten schon gestern passiert sein. So auch die Veröffentlichung dieses Artikels. Kinder müssen sich ihrem eigenen Lerntempo widersetzen und Maßnahmen finden, wie sie dem vom Kultusministerium verordneten Tempo standhalten können. Egal ob dieses Tempo schneller oder langsamer als ihr eigenes ist. Auch schneller lernende Kinder haben Anpassungsprobleme.
Genieße die Unbestimmtheit
Vor allem sind, so denke ich, Tempi nie gleich. Also selbst die eigenen. Manchmal läufst du schnell, manchmal läufst du langsam. Manchmal schlingst du dein Essen wie eine ausgehungerte Hyäne herunter, die seit Wochen nichts zwischen die Zähne bekommen hat, manchmal verzehrst du dein Essen derart langsam wie als wäre es dein letztes Abendmahl. Ja, manchmal funktioniert dein Körper wie ein Uhrwerk und alles was du tust, tust du so, als wärst du genau für diese Tätigkeit geboren. Und manchmal kommst du dir vor wie ein Chihuahua, der eigentlich ein ganz normaler Hund werden wollte, mit starken Beinen und einem angsteinlösenden Bellen, aber aus irgendeinem Grund unfairerweise von einem an Geschmacksverirrung leidenden Züchter zu einer zu groß geratenen Ratte gezüchtet wurde – und weißt einfach überhaupt nicht, was deine Bestimmung ist. Sicherlich nicht um von kunstblondigen, kunstvollbusigen Kunstfrauen in Kunst-Louis Vuitton Taschen durch die Gegend getragen zu werden.
The Point is: Dieser Text ist wirklich nicht mein bester…trotz einer dreiviertel Stunde semi-hochkonzentrierter Arbeit. Doch manchmal, ja ziemlich oft sogar, verdient die Entscheidung etwas nicht zu tun mehr Beifall als die Entscheidung etwas bis aufs letzte durchzuziehen. So zum Beispiel, meinen Textideen die nötige Reifezeit zu gewähren, bevor sie es durch meine Ungeduld nur zu einem billigen Tetrapack-Wein schaffen und nicht zu einem edlen Tropfen der Wortkunst.
Nichts zu tun heißt nicht auf der faulen Haut zu liegen. Es bedeutet auch nicht, sich vor Herausforderungen zu drücken, auch wenn ich das manchmal ganz gern damit verwechsle.
Auch Ideen wollen ihre Kindheit genießen
Gönne deinen Ideen Zeit. Zeit zu reifen. Sie stecken noch in den Kinderschuhen. Wollen sich ausprobieren, mit anderen Kindern spielen und einfach nur ihr Dasein genießen. Ohne Wachstum. Ohne Entwicklung. Einfach mal stehen bleiben und im Moment der Reifung verharren.