Bildquelle: playfestival.de
Danke an diese heutige grandiose Gestalt-runde, die so ungeplant, unstrukturiert und ungeschliffen war. Ich fühle mich inspiriert, intensioniert und neu geschliffen.
Es stand auch die Frage im Raum: „Für was stehst du mit deiner Arbeit?“
Und diese Frage brachte ebenso grandiose Prozesse bei uns allen in Gang. Prozesse, die schnell abstrakter und emotionaler wurden, als es diese simple Frage beabsichtigte.
Was ich schon zu Beginn unserer Zusammenkunft merkte, obwohl wir uns so lange nicht gesehen hatten, war, dass jedem wichtig war, möglichst passgenau das Eigene und hier speziell das gegenwärtig Eigene zu zeigen und zu erläutern. Keinem Konzept zu folgen. Keinen Worten zu folgen, die möglichst rund und ästhetisch klingen, aber womöglich nicht die eigene Ästhetik beinhalten. Der Faulheit wegen (?) übernehmen wir ja oft Konzepte. Und folgen der Illusion, dass sie uns bis an unser Lebensende glücklich machen werden.
„Tu dies und das und du wirst für immer dieses und jenes Problem lösen.“
Und das Trickreiche daran ist, dass selbst unsere eigenen Konzepte nicht für immer passen. Manchmal passen sie für ein Jahr, manchmal nur für einen Tag, manchmal sogar nur für eine Stunde oder einen flüchtigen Moment.
Wann Konzepte zum Verhängnis werden
Ein Konzept rückt ja grundsätzlich die Zukunft in den Vordergrund. Denn ein Konzept setzt voraus, dass wir einen Plan haben. Dass wir uns eine bestimmte Schrittfolge, eine Choreografie ausgedacht haben. Das ist jetzt nicht grundsätzlich schlecht, aber auch nicht grundsätzlich gut. Für mich ist es spannend mit Konzepten zu arbeiten. Sie geben uns Struktur, eine bestimmte Ausrichtung. Doch wenn ich in ihnen einen „Retter“ sehe, mache ich mich von ihnen abhängig. Dann können sie auch schnell zum Täter werden. Zum Beispiel dann, wenn sie uns nicht da hinbringen, wo wir mit ihnen hinwollten. Dann sind wir zum Beispiel wütend auf dieses Konzept. Schließlich hatte es etwas anderes versprochen. Verdammt nochmal, du doofes Konzept!
Außerdem erschweren sie es uns, im Moment zu bleiben, intuitiv zu bleiben. Das Neue, Unbekannte zuzulassen und sich im Vertrauen zu schulen. Wir laufen Gefahr, uns am Roten Faden entlangzuhangeln, ohne unsere Umgebung wirklich wahrzunehmen und für andere Möglichkeiten offen zu bleiben. Ich selbst merke immer mehr, dass ich durch ein festes Konzept schneller Grenzen aufziehe, aus Angst, meinen Kurs zu verlieren, damit auch schneller aus dem Kontakt gehe mit mir und meiner Umwelt.
Ein Beispiel…
Und wie subtil
Konzepte sein können (im psychologischen Bereich werden sie auch
gern „Muster“ genannt), merkte ich auch in genau eben dieser
offenen Gestaltrunde. Ich möchte hier meinen eigenen Erkenntnisgang
ganz kurz umreißen: Wenn ich mich schäme (der Grund dafür ist hier
nebensächlich) mache ich mich größer (sowohl psychisch wie auch
körperlich), gehe damit auch in eine herablassende Haltung und
begebe mich in eine Kampfposition. Der Kontakt wird komisch, bricht
irgendwie ab, ist nicht mehr beim neutralen „Ich“ und „Du“.
Das war für mich nicht gänzlich neu, aber doch war es sehr
spannend und aufschlussreich, das in so klarer, komprimierter und
undramatischer Form zu erleben.
Wann ist etwas eine spontane Reaktion,
wann ein unterbewusstes Konzept,
das gerade ins Bewusstsein kommt?
Da ist dann also dieses Konzept, dass ich aus Scham vor der Scham automatisch den Weg wähle, in die Anmaßung zu gehen. Nun stelle ich mir die Frage, ob es wirklich ein Konzept, ein in mir fest etabliertes Muster ist, das wirklich geplant war. Oder ob es doch eine spontane Reaktion war. Schließlich habe ich mich nicht bewusst für die Anmaßung entschieden, sondern habe sie erkannt, als sie schon da war.
Hier wird es also knifflig. Hier befrage ich meine Intuition. Die Gestalt in mir, die irgendwie ziemlich viele Antworten parat hat, ohne eine inhaltliche Erklärung dafür zu haben.
Und diese sagt ganz klar, dass die Abfolge Scham → Anmaßung → Rückzug ein schon sehr altes Konzept von mir ist. Zu spüren, wie ich mich für diese Abfolge entscheide und das dann auch auszusprechen, ist für mich ein entscheidender Schritt, dieses Konzept zu verlassen.
Die Frage nach dem „Wieso“
Oft fragen wir uns dann nach dem „Wieso“. Wieso mache ich das so und so? Wieso verdammt nochmal? Was ist die Ursache? Wer ist der Übeltäter, der mich dazu gebracht hat, so zu handeln? Sind es meine Eltern, die mir immerzu gesagt haben, dass ich mich nicht schämen brauche? Ist es die Gesellschaft, die mich erst dazu gebracht hat, mich für mich zu schämen? Oder ist es gar ein Ahne, von dem ich diesen Mechanismus übernommen habe?
Manchmal kann es sehr erlösend sein, den „Übeltäter“ zu finden. Der Quelle zu folgen und den Ursprung zu erkennen.
Und manchmal bringt es mich davon ab, etwas zu verändern. Denn der Ursprung liegt nun mal in der Vergangenheit. Der Ursprung selbst kann nicht verändert werden. Was wir allerdings verändern können ist, wie der Ursprung in unsere Gegenwart wirkt.
Die Frage nach dem „Wie“
Also, nach dem „Wieso“ könnte das „Wie“ folgen. Wie mache ich das, dass ich mich schäme? Und wie mache ich das, dass ich von der Scham in die Anmaßung und dann in den Rückzug gehe? Ich persönlich merke im „Wie“ eine stärkere Neugier. Die Gier, etwas Neu zu erfahren, etwas zu verändern, ist stärker. Ich spüre eine stärkere Verbindung zu mir selbst, als beim „Wieso“. Es ist kein Hinterfragen, sondern ein Erfragen. Erforschen.
So wie meine Mutter mir immer schon sagte: „Sei mal wie ein Detektiv“, wenn ich wieder mal wegen meinen hohen Blutzuckerwerten durchgedreht bin.
Ach wie schön uns doch chronische „Krankheiten“ unsere chronischen Konzepte aufzeigen
Und so schließt sich in mir erneut ein Kreis, der mir zeigt, dass es auch beim Heilen einer Krankheit nur sekundär um das Aufspüren der Ursache geht. Dass sie ein so wahnsinnig wertvoller Begleiter sein kann, immer wieder Neu zu schauen. Immer wieder Neu zu sein.
Wie oft in meiner Karriere als Diabetespatientin war ich schon an dem Punkt, dass ich innerhalb eines bahnbrechenden Erkenntnisprozesses überzeugt davon war, dass dies nun DER Grund für meine Krankheit ist. Und tatsächlich habe ich mich eine Weile nach diesen Prozessen auch gesünder gefühlt. Doch dann ging es wieder in gewohnte Schleifen (gewohnte Konzepte?). Ich suchte danach sogar teilweise die Menschen auf, die mich innerhalb dieses Prozesses begleiteten oder Mitauslöser dafür waren. In der Hoffnung, dass sie doch bitteschön nochmal das Gleiche tun würden. Wenn dies nicht geschah, war ich heimlich wütend auf sie.
Bis ich tatsächlich auch an diesem Punkt erkannte und immer wieder erkenne, dass es auch hier diese sagenumwobene Eigenverantwortung braucht. Es sind immer Menschen da, die einem einen kleinen Anschubser geben, manchmal auch einen starken Tritt in den Hintern, manchmal eine reichende Hand, die den wackligen Körper führt. Die auch mal ganz direkt die Wunde schließen, die da gerade klafft. Und das liebevollste, was dann passieren kann ist, alleine losgeschickt zu werden. Die Schritte alleine zu tun. Schritt für Schritt für Schritt.
Für was stehe ich also nun in meiner Arbeit?
Um also den Kreis zu schließen, diesem Konzept, einen Text aus meiner Erfahrung zu schreiben, ein nachvollziehbares Ende zu geben, so möchte ich die Frage „für was stehst du mit deiner Arbeit“ hier ganz offiziell beantworten: Ich möchte mehr Freude für das Wagnis im Moment in die Welt bringen, mehr Begeisterung für das „Wie“ statt für das „Wieso“. Mehr Mut, sich zu verstricken statt einem festen Strickmuster zu folgen.